Alte und wiederentdeckte Getreide:
Urgetreide
Khorasan, Manitoba, Rotkorn- & Gelbmehlweizen, Waldstauden und Lichtkornroggen
Weizen ist eine echte Großfamilie. Neben den bekannten „alten“ Weizenarten Emmer, Einkorn und Dinkel gibt es unzählige Exoten, von denen wir hier einige kurz vorstellen wollen. Auch neben dem heute bekannten einjährigen Brotroggen gibt es einige unbekanntere Arten, die nicht nur backtechnisch, sondern auch botanisch höchst spannend sind.
Khorasanweizen – Korn aus einer ägyptischen Grabkammer?
Khorasanweizen (Triticum turanicum) ist auch unter dem eingetragenen Markennamen Kamut® zu finden. Genetischen Untersuchungen zu Folge ist er vermutlich als alte Sommerweizensorte ein Hybrid aus Hartweizen sowie Wildformen des Weichweizens, wahrscheinlich Rauweizen und Gommer/Gammer, einer ehemals in Polen heimischen Weizensorte. Über seine Ursprünge ranken sich einige Legenden: In der Türkei gilt er als Weizen des Propheten; angeblich soll schon Noah in seiner Arche diesen Weizen mit sich geführt haben.
Angeblich will ein amerikanischer Soldat den Weizen in einer Steinkiste in einem alten ägyptischen Grab gefunden und an seinen Vater in die USA gesandt haben, der ihn dort weiter vermehrt und schrittweise züchterisch weiterentwickelt habe. Weder lässt sich der Ort des Grabes auf der Landkarte finden, noch ist Weizen überhaupt mehrerer Jahrhunderte keimfähig. Auch genetisch lässt sich keine Verbindung nach Ägypten finden. Vielmehr – und darauf deuten genetische Untersuchungen hin – stammt es aus der Provinz Chorasan im heutigen Iran.
Im Gegensatz zu Weichweizen zeichnet sich Khorasanweizen durch wesentlich längere Halme und größere Körner aus. Diese Riesenkörner mögen ein Grund dafür sein, dass er in einigen Gegenden Kamelzahnweizen genannt wird. Laut Angaben der Hersteller hat Khorosanweizen einen hohen Protein- und Fettgehalt sowie einen hohen Anteil an Selen, Zink, Magnesium und Vitamin E. Bisher gibt es wenige wissenschaftliche Daten, allerdings zeigen Untersuchungen aus Österreich, dass der Proteingehalt bei 16 Prozent und der Glutengehalt bei 12 Prozent liegen kann. Die Werte sind damit ähnlich denen von Hartweizen. Er kann wie Weich- aber auch wie Hartweizen verwendet werden und eignet sich zur Herstellung von Nudeln, Brot, Gebäck, Müslis und Snacks.
Manitoba Weizen – für backstarkes Mehl
Manitoba Weizen ist eine Bezeichnung für Qualitätsweizen – wer hätte es gedacht – aus der gleichnamigen kanadischen Provinz. Es handelt sich dabei um einen Weizen mit hohem Eiweißgehalt von etwa 15 Prozent und einer ausgezeichneten Kleberqualität. Bevor in Europa Qualitätsweizenanbau betrieben wurde, brauchte es diesen kanadischen Weizen, um den proteinschwächeren europäischen Weizen zu verbessern. Heute stehen ausreichend proteinreiche Weizensorten auch für den europäischen Anbau zur Verfügung.
Manitobaweizen entspricht in den deutschen Qualitätsbeschreibungen einem Eliteweizen und Manitoba-Mehl ist mit einem backstarken Weizenmehl der Type 550 zu vergleichen. Die Bezeichnung Manitoba ist heute – vor allem in Italien – so etwas wie eine Gütebezeichnung mit der Bedeutung „backstark“. Der dafür vermahlene Weizen dürfte in den allermeisten Fällen aus Europa stammen.
Manitoba-Mehl wird gern für die Herstellung von Backwaren empfohlen, die entweder sehr fetthaltig und schwer sind wie etwa Stollen und Panettone, oder für solche, die eine lange Teigführung benötigen, z. B. Baguette, Focaccia oder Ciabatta.
Gelbmehl- und Rotkornweizen
Gelbmehl- und Rotkornweizen zählen zu den alten Getreidesorten. Ihre höheren Gehalte an sekundären Pflanzenstoffen, hier insbesondere pflanzenspezifischen Farbstoffen, schlagen sich dabei im Namen nieder. Gelbmehlweizen zeichnet sich durch einen besonders hohen Gehalt an als Vitamin-A-Vorstufen bekannten Carotinoiden, insbesondere Lutein aus. Rotkornweizen enthält Anthocyane, die für die purpurne oder auch rötlich-violette Färbung der Schale verantwortlich sind.
Binkel
Binkel, auch Zwergweizen, botanisch Triticum compactum, ist eine etwa 3.000 Jahre alte Weizenart, die einen sehr kompakten, fast rundlichen Ährenstand aufweist. Als seine Eltern gelten Einkorn, Emmer und Ziegengras. Der kleinkörnige Binkel ist sehr robust im Anbau und gedeiht auch noch in Grenzregionen für den Getreideanbau. Aktuell laufen erste Rekultivierungsversuche für die fast vergessene Getreideart.
Alte Roggensorten:
Waldstaudenroggen auch Johannisroggen oder Bergroggen
Auch beim Roggen gibt es sogenannte Urformen. So ist der Bergroggen (Secale montanum) eine mehrjährig ausdauernde Wildart des Roggens.
Waldstaudenroggen oder auch Johannisroggen ist ebenfalls mehrjährig. Botanisch wird er allerdings nicht als eigene Art gezählt. Traditionell um den Johannistag (24. Juni) ausgebracht, wird bis in den Herbst hinein das Grün beweidet oder geerntet und verfüttert. Erst im Folgejahr lässt man die Körnerbildung zu. Auch danach treibt die bis zu fünfjährige Roggenpflanze erneut aus. Der Waldstaudenroggen ist kleinkörniger als kultivierter Roggen, was bei Vollkornprodukten zu höheren Ballaststoff- und Mineralstoffgehalten führt. Er lässt sich wie Kulturroggen verarbeiten.
Newcomer Lichtkornroggen
Diese junge Roggensorte wird seit 1989 von der biologisch-dynamisch arbeitenden Getreidezüchtungsforschung Darzau gezüchtet. Seit 2011 darf sie als Erhaltungssorte in den Handel gebracht werden. Ihren Ursprung hat sie in hellen Roggensorten, die noch vor der modernen Getreidezüchtung in Mitteleuropa weit verbreitet waren. Lichtkornroggen ist eine robuste und helle Sorte, von der Farbe her dem Weizen ähnlich. Zu Brot verbacken ist er locker und mild im Geschmack.
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