„Weizenwampe“: Fachwissenschaftlich-kritische Analyse eines amerikanischen Bestsellers
„Weizenwampe“: Fachwissenschaftlich-kritische Analyse eines amerikanischen BestsellersIn seinem Buch „Weizenwampe - warum Weizen dick und krank macht“ glaubt der amerikanischen Bestsellerautor Dr. William Davis den Weizen als „Quelle allen Übels“ ausgemacht zu haben. Er schiebt dem Getreide – in erster Linie Weizen und daraus hergestellten Lebensmitteln – die Verantwortung dafür zu, dass heute viele Menschen dick und krank seien. Nahezu alle Zivilisationskrankheiten ließen sich allein durch den Verzicht auf Weizen in der täglichen Kost heilen – so die Hypothese seines Buchs "Wheat Belly", das im Januar 2013 in deutscher Übersetzung bei Goldmann erschienen ist.
Professor Dr. Julie Jones von der St. Catherine University (St. Paul/USA) hat aus fachwissenschaftlicher Sicht die Behauptungen von Davis und die Leitthesen seines Buchs anhand der amerikanischen Originalausgabe kritisch hinterfragt und analysiert.
Die Ergebnisse sind in deutscher Sprache als wissenschaftliche Publikation in Ausgabe 4/2012 der Fachzeitschrift „Cereal Technology“ veröffentlicht worden: „Wheat Belly – Eine kritische Betrachtung ausgewählter Behauptungen und Leitthesen aus dem Buch“ finden Sie als Fachbeitrag zum Download in der Infothek im Bereich Ernährungsforschung unter www.gmf-info.de
Gesunde Ernährung mit Getreide – ist das noch zeitgemäß?
Widersprüchliche Ernährungsempfehlungen, unklare Studienlage, wechselnde Trends, publikumswirksam gestrickte Bestseller und nicht zuletzt der mediale Hype um die „richtige“ Ernährung – all das lässt Verbraucher verunsichert zurück. Anti-Weizen-Bücher, Low- und No-Carb Trends werfen Fragen auf: Gehört Getreide überhaupt auf den Speiseplan oder macht Weizen wirklich krank, wie einige Autoren behaupten? Für die sogenannten Paleo-Fans zumindest gehört das seit 10.000 Jahren kultivierte Getreide nicht auf den Tisch. Unser Stoffwechsel sei dafür nicht gemacht, lautet ihre These. Für andere Ernährungslehrer geht „moderner“ Weizen nicht. Er sei überzüchtet und damit weniger verträglich als andere Getreidearten und alte Weizensorten. Die nächsten sehen im Klebereiweiß Gluten eine Gefahr für das Wohlbefinden. Für alle hier genannten Thesen fehlen bislang die handfesten wissenschaftlichen Beweise.
Sicher ist: Strikt auf Weizen und Gluten verzichten müssen Menschen, die an einer Weizenallergie oder einer Zöliakie leiden. Glutensensitive müssen meist nicht komplett verzichten, denn sie vertragen gewöhnlich kleine Mengen, ohne dass sich die typischen Symptome wie Bauchschmerzen und Blähbauch einstellen. Nach Expertenschätzung sind von Zöliakie, Weizenallergie und Glutensensitivität vermutlich weniger als fünf Prozent der Erwachsenen in Deutschland betroffen: Das entspricht etwa 4 Millionen Menschen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass 95 Prozent der Erwachsenen glutenhaltige Lebensmittel beschwerdefrei genießen können.
Für die Allgemeinbevölkerung bringt eine glutenfreie Ernährung keine gesundheitlichen Vorteile. Im Gegenteil: Viele wertvolle und vor allem einfach zu verarbeitende Lebensmittel fallen weg; eine bedarfsgerechte Nährstoffversorgung erfordert einen wohlüberlegten Ernährungsplan und entsprechende Kenntnis in der Zubereitung glutenfreier Speisen. Wer hofft, mit glutenfreien Ersatzprodukten einige Kilos abzubauen, muss wissen, dass viele sogar einen höheren Kaloriengehalt haben – denn das fehlende Gluten muss ja irgendwie ersetzt werden. Und apropos hoch: Auch der Preis für die Spezialprodukte ist oft doppelt, manchmal sogar ein vielfaches höher als der des Originals, wie ein Marktcheck der Verbraucherzentrale 2013 zeigte.
Aber welche Ernährung ist denn nun empfehlenswert? Neuere Forschungen zeigen, dass es nicht DIE richtige Ernährung für alle gibt. Vielmehr hat jeder Mensch seine spezifischen Bedürfnisse. Forscher vermuten einen Zusammenhang mit der genetischen Grundausstattung der einzelnen Personen. Daher werden zunehmend individuellere, flexiblere und alltagstauglichere Empfehlungen gefordert.
Für viele Menschen steht heute vor allem gesunde Ernährung im Fokus. Allgemeingültige Regeln hierzu lauten:
- Möglichst vielseitig und abwechslungsreich essen.
- Regionale und saisonale Ware bevorzugen und möglichst frisch zubereiten.
- Obst und Gemüse sollen täglich und möglichst frisch auf den Speiseplan stehen. Insgesamt sollen es fünf Portionen am Tag sein.
Für die täglich benötigte Energie sollten hochwertige, möglichst ballaststoffreiche Kohlenhydratlieferanten bevorzugt werden. Hierzu gehören Getreide, Hülsenfrüchte und Kartoffeln. Fettarm zubereitet sind sie erstklassige Vitamin- und Mineralstofflieferanten und machen satt. Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte enthalten besonders viele der gesundheitsförderlichen Ballaststoffe, von denen die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) täglich 30 Gramm empfiehlt – gerade auch zur Vorbeugung einer Reihe weit verbreiteter Zivilisationskrankheiten.