Buchweizen erwacht aus dem Dornröschenschlaf: War er noch im 19. Jahrhundert ein wichtiges Lebensmittel – gerade in Regionen, deren Böden sonst nicht viel hergaben – geriet er, verdrängt von ertragreicheren Nutzpflanzen wie Kartoffel und Getreide in Vergessenheit. In der Foodie-Szene ist Buchweizen seit einigen Jahren wieder en Vogue und bereichert mit seinen essentiellen Nährstoffen den Speiseplan. Und auch für die heimische Agrarwirtschaft könnte das Tatarenkorn wieder interessant werden: Forscher der Universität Hohenheim untersuchen aktuell Möglichkeiten und Voraussetzungen für einen wirtschaftlichen Anbau sowie dessen Auswirkung auf die Biodiversität in Süddeutschland – mit erstaunlichem Potential in alle Richtungen.
Buchweizen: Das Pseudogetreide mit dem poetischen Namen
Buchweizen gehört botanisch in die Familie der Knöterichgewächse, wie auch Sauerampfer oder Rhabarber. Er lässt sich jedoch wie Getreide verwenden. Noch im 19. Jahrhundert war Buchweizen auch in Deutschland verbreitet und vielerorts ein Grundnahrungsmittel. Er galt als „Arme-Leute-Essen“. Mit dem Bevölkerungswachstum und durch die Intensivierung der Landwirtschaft, verlor der ertragsschwache Buchweizen – sein Ertrag liegt etwa bei 25 Dezitonnen pro Hektar – gegenüber ertragreicheren Wirtschaftspflanzen an Bedeutung. Zum Vergleich: Dinkel bringt etwa 70-80 dt/ Hektar, moderner Weizen bis zu 100 dt/ha. Heute erlebt Buchweizen eine Renaissance.
Arme Poeten verhalfen ihm allerdings nicht zum bildhaften Namen Buchweizen. Er kommt daher, dass seine kleinen dreikantigen Früchte an Bucheckern erinnern. Übrigens: Auch diese zählten zum typischen „Arme-Leute-Essen“.
Ernährungsphysiologisch interessant für Mensch und Tier
Buchweizen zählt wie Amarant und Quinoa zu den glutenfreien Pseudogetreiden. Er liefert etwa 71 g Kohlenhydrate, 9,8 g Eiweiß und 1,7 g Fett. Obwohl Eiweiß- und Fettgehalt niedriger sind als bei anderen Getreiden und Pseudogetreiden, liefert er ernährungsphysiologisch bedeutsame Bausteine. So zeichnet er sich durch einen hohen Gehalt an essentiellen Eiweiß- und Fettbausteinen aus, etwa Lysin (Aminosäure) und Linolsäure (Fettsäure). Zudem ist er eine gute Quelle für das Polyphenol Quercentin, das als sekundärer Pflanzenstoff antioxidatives Potential besitzt. Sein Geschmack wird als herb-nussig beschrieben.
Die Einsatzmöglichkeiten von Buchweizen in der Küche sind vielfältig, das ein oder andere Gedicht lässt sich so mit ihm komponieren. In der Küche kann ganzer Buchweizen wie Reis zubereitet werden und etwa in Gemüsepfannen, Risotto, als Bowl-Zutat, Salat oder Bratling den Speiseplan bereichern. Eingeweicht über Nacht lässt er sich auch wie Overnight-Oats zubereitet, aus Buchweizengrütze lassen sich Brei oder Füllungen zubereiten. Da Buchweizen nicht backfähig ist, können aus Buchweizenmehl vor allem flache Gebäcke hergestellt werden, wie Pfann- bzw. Eierkuchen oder Blinis. Alle, die nicht glutenfrei essen müssen, können einen Teil des üblichen Getreides auch durch Buchweizen ersetzen, z.B. beim Brotbacken.
Buchweizen: Potential für die Landwirtschaft neu entdecken
Durch seine kurze Vegetationszeit von 90 bis 110 Tagen kann Buchweizen gut als Zweitfrucht im Sommer angebaut werden und somit Vegetationslücken auf dem Acker füllen. Mit einigen Vorteilen: Im Juni ausgebracht blüht er bis in den September. Das erhöht die Biodiversität auf den Äckern, denn zahlreiche Insekten finden so noch Nahrung, wenn andere Nutzpflanzen längst abgeblüht sind. Nektar und Pollen könnten für Imker Potential besitzen. Der tiefdunkle Buchweizenhonig ist eine echte Rarität.
Durch seine schnelle Entwicklung und üppige Blattmasse wirkt er zudem unkrautunterdrückend und beugt Bodenerosion vor. Dadurch, dass er botanisch nicht mit den gängigen Ackerkulturen verwandt ist, finden typische Kulturschädlinge in ihm keine geeignete Wirtspflanze. An den Boden stellt er nur geringe Ansprüche. Nur warm muss es sein. Im Norden Deutschlands kennt man ihn übrigens auch unter dem Namen Heidenkorn oder Heidegraupen, da er einstmals auf den sandigen Böden der Lüneburger Heide zuhause war.
Im Sinne der aktuellen Diskussionen um mehr Biodiversität im Ackerbau, Greendeal und Farm to Fork-Strategie ist der Buchweizen mit Sicherheit eine interessante Pflanze.
Inwieweit sich sein Potential für die heimische Landwirtschaft nutzen lässt, untersuchen aktuell Forscher der Universität Hohenheim in Stuttgart. Pflanzenzüchter Professor Friedrich Longin beschäftigt sich dabei mit der Frage, welche Buchweizensorten für die rentable landwirtschaftliche Nutzung interessant sind: „So existieren z. B. Sorten, die immer weiter wachsen und neue Blüten bilden“, erklärt Longin im Pressestatement der Universität. „Entsprechend werden auch ihre Früchte unterschiedlich reif, was sie für die landwirtschaftliche Nutzung kompliziert macht, weil es keinen optimalen Erntezeitpunkt gibt. Ideal sind Sorten, bei denen alle Blüten gleichzeitig blühen und somit auch die Früchte gleichzeitig reif sind.“ Ziel des Forschungsvorhabens ist es unter anderem Sorten zu finden und zu züchten, die an die klimatischen Bedingungen von Süddeutschland angepasst sind und hohe Erträge bringen.
Quelle:
Inspiration für passende Rezepte findet Ihr wie immer auf Mein Mehl. Hier gibt es eine herzhafte bretonische Buchweizen-Galette. Oder wandelt doch einen Grundteig wie Mürbteig oder Pfann- bzw. Eierkuchenteig einfach ab.
Nicht nur für die menschliche Ernährung ist Buchweizen interessant. Die hohe Eiweißqualität kann auch in der Tierernährung Lücken in der Eiweißversorgung aus heimischen Nutzpflanzen schließen.
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