Müller-Azubi abroad - Paul in Brasilien

'Das Wandern ist des Müllers Lust' galt nicht nur früher. Gelernte MüllerInnen haben viele Möglichkeiten der beruflichen Weiterentwicklung. Im In- und Ausland sind sie gefragte Fachkräfte. Paul Reinholz aus dem mecklenburgischen Jarmen wagte nach seiner Gesellenprüfung 2016 den Schritt in die weite Welt. Er besuchte über ein Austauschprogramm seiner Müllerschule Brasilien. Was er da erlebt hat, berichtet er uns hier:

Paul Reinholz - Müller-Azubi in Brasilien

Sightseeing in Rio de Janeiro

Die beeindruckenden Iguaçu-Wasserfälle

Mit meinem Aufenthalt in Brasilien hatte ich die überwältigende Chance, einen Blick über den Tellerrand zu werfen, ein mir fremdes Land mit seiner Kultur kennenzulernen und hautnah zu erleben. Eine Chance, die sich für jede junge Müllerin und jeden jungen Müller der Gewerblichen Schule im Hoppenlau Stuttgart bietet. Denn Dr. Andreas Baitinger und Professor Dermanio Tadeu Lima Ferreira kooperieren seit mehreren Jahren, geben zusammen Kurse und bieten nun ein Austauschprogramm an. Jungen Müllerinnen und Müllern wird die Möglichkeit gegeben, bis zu drei Monate in Brasilien zu leben und im Projekt CETABA, das von Professor Ferreira in Cascavel im Bundesstaat Paraná gegründet wurde, zu arbeiten.

Brasilien, speziell der Bundesstaat Paraná, bietet eine enorme Fläche für Landwirtschaft. Vor allem Weizen, Soja und Mais gehören zu den dort angebauten Hauptgetreiden. Im Rahmen des CETABA-Projektes schicken Landwirte aus dem gesamten Bundesstaat Proben der aktuellen Weizenernte ein, damit die Studentinnen und Studenten im Mehllabor diverse Qualitätsuntersuchungen durchführen können. So werden Rückschlüsse auf die zu erwartende Qualität des Endproduktes gewonnen. CETABA setzt sich darüber hinaus mit Fragen des Umweltschutzes auseinander. Das Hauptaugenmerk liegt jedoch auf Untersuchungen der aktuellen Weizenernte.

Nach nur wenigen E-Mails mit Herrn Doktor Baitinger und Professor Ferreira stand fest: Ich gehe nach Brasilien! Lediglich die Kosten für den Flug musste ich selbst tragen, Wohnung und Nahrungsmittel wurden mir als Entlohnung für meine Arbeit gestellt. Auch mein Arbeitgeber, die Nordland Mühlen GmbH Jarmen, war mit meinen Plänen einverstanden und stellte mich für den Auslandsaufenthalt frei.

Am 7. Februar 2017 war es dann soweit, mein Abenteuer konnte beginnen. Mächtig aufgeregt machte ich mich bei -10°C auf zum Hamburger Flughafen. 25 Stunden später landete ich im 35°C warmen Cascavel, wo Professor Ferreira schon auf mich wartete. Schnell war klar, dass er ein unglaublich offener und herzlicher Mensch und immer zum Scherzen aufgelegt ist. Da ich die Amtssprache Portugiesisch nicht beherrschte, griffen wir auf Englisch zurück. In der ersten Woche wohnte ich auf dem Campus der Uni bei Lucas und Tomas, zwei Studenten von Professor Ferreira. Anfangs war ich skeptisch, ob das gut gehen kann, denn die beiden verstanden kein Wort Englisch. Aber im 21. Jahrhundert sind sprachliche Hürden kein Problem mehr! Übersetzungs-Apps erleichterten die Kommunikation und zur Not konnten wir uns mit Händen und Füßen verständigen. In den drei Monaten nahmen Lucas und Tomas mich zu dutzenden Veranstaltungen, wie Vorlesungen, Partys oder auch zu einem Grillabend zu Hause bei ihren Familien mit. Beide waren Paradebeispiele für die unglaublich herzliche und offene Mentalität der Brasilianer.

In der ersten Woche zeigte mir Professor Ferreira die Universität "Centro Universitário da Fundação Assis Gurgacz" und den Campus mitsamt Labor, in dem ich arbeiten sollte, und stellte mir auch viele seiner Freunde vor. Nach dieser Ankommensphase stand für mich ein Umzug auf dem Plan. Da das Labor zu einer Mühle ca. 15 Kilometer entfernt von Cascavel gehört, bekam ich eine Wohnung auf einer Farm direkt neben meiner Arbeit. Nun hieß es für mich selbstständig von Montag bis Freitag von 15 bis 21 Uhr im Mehllabor sämtliche Getreideproben zu vermahlen und zu analysieren. Das Labor ist mit sehr guten Geräten ausgestattet, die Professor Ferreira über die Jahre gekauft oder von Freunden weltweit geschenkt bekommen hat. Neben meiner Arbeit nahm mich der Professor ein- bis zweimal pro Woche mit zur Universität, in der ich über die Zeit eine Vielzahl von Freunden gewonnen hatte. Im Gegensatz zu Deutschland studieren die meisten Brasilianerinnen und Brasilianer dual. Das bedeutet für viele, von morgens bis in den späten Nachmittag zu arbeiten und dann bis tief in die Nacht die Schulbank zu drücken. Ein ziemlich hartes und straffes Programm, dennoch hatte ich den Eindruck, dass alle ein permanentes Lächeln auf den Lippen tragen. Eine Glücks-Mentalität, die ich aus Deutschland partout nicht gewohnt war. Diese Gelassenheit und Zufriedenheit beeindruckte mich zutiefst.

In meiner Zeit an der Universität habe ich zwei Kurse für angehende Müllerinnen und Müller mitgemacht. Professor Ferreira ist für die Ausbildung geschulten Fachpersonals mitverantwortlich. Er organisiert monatlich einen viertägigen Kurs, bei dem alle Azubis aus dem gesamten Bundesstaat zusammenkommen, um sich gemeinsam Wissen über die Müllerei anzueignen. Da kommt es schon mal vor, dass Dozentinnen und Dozenten aus ganz Brasilien eingeflogen werden. Es hat mir unglaublich viel Spaß gemacht, das alles mit zu erleben.

Neben der Arbeit hatte ich genügend Zeit das Land zu erleben. So zog es mich zum Beispiel nach Rio de Janeiro und Foz do Iguaçu. Rio ist eine sehenswerte Stadt, die meiner Meinung nach zu sehr auf ihre unglaublich schönen Strände reduziert wird. Neben den typischen Touristenattraktionen und Sehenswürdigkeiten wie dem Zuckerhut und der Christusstatue, hat die Stadt ein großes multikulturelles Angebot, das sich von Museen über Street Art, Ausstellungen bis hin zu Hippie-Märkten erstreckt. Eine völlig andere Welt war dagegen der Nationalpark Iguaçu, in dessen Mitte sich die weltberühmten Wasserfälle befinden, die Argentinien, Brasilien und Paraguay trennen. Ein traumhaft schöner und idyllischer Ort, unterwandert von diebischen Nasenbären. Auch wenn man es sich nur schwer vorstellen kann, es sind täuschend niedliche Tiere, die jede Gelegenheit ausnutzen, um Futter zu ergattern.

Alles in allem waren es drei sehr abenteuerliche Monate, in denen ich eine Menge toller Erfahrungen und Eindrücke gewinnen konnte. Ich bin sehr dankbar, dass mir diese Möglichkeit geboten wurde und freue mich schon auf meinen nächsten Brasilien-Besuch!

 

Ihr seid neugierig geworden, wie der Beruf des Müllers und die Arbeit in einer Mühle heute eigentlich genau aussehen? Dann schaut auf der neuen Website mueller-in.de vorbei! Wusstet zum Beispiel, das MüllerInnen heute VerfahrenstechnologInnen Mühlen- und Getreidewirtschaft genannt werden? In den Mühlen trifft Natur auf Hightech: Wer heute eine moderne Mühle betritt, taucht in eine hochtechnisierte Welt ein, digital und computergesteuert, komplett automatisiert und mit gesicherter Rückverfolgbarkeit, vom Getreide auf dem Acker bis zum versandfertigen Mehl. Neben den Technologien zur Getreideverarbeitung müssen die Auszubildenden deshalb auch die Arbeit im Labor, Verfahren der Qualitäts- und Hygieneprüfung sowie der Produktsicherheit und Grundlagen in Betriebswirtschaft und Recht erlernen. Noch mehr Informationen rund um die Ausbildung und Ausbildungsbetriebe sowie Tipps zur Bewerbung findet Ihr hier.

Verpasst auch nicht unseren nächsten Blogbeitrag „MüllerInnen von heute“! Wir stellen Euch den traditionsreichen und zugleich hochmodernen Beruf einmal genauer vor, nehmen Euch mit in die Mühlen von heute und machen auch einen kleinen Ausflug in die Geschichte der Müllerei.